Hügel bewachten die häßliche
Stadt, aber sie wurden aufgesprengt und eine Autobahn mitten durch gebaut.
Die Rehe, Hirschen und Häschen wurden aus ihren Reservaten vertrieben
und Kasernen zur Bewachung der Bagger und Schubraupen aufgestellt. Man
befürchtete einen Luftkrieg. Feindliche Umweltschützer in Kampfbombern
seien am Horizont gesichtet worden, genmanipulierte Riesenkartoffelkäfer
hätten sie für die Schlacht aufgeboten. Hirschkäferheere
würden vom Süden her gegen die Autobahnbaustelle vordringen und
die gelbe Gefahr würde Heuschreckenplagen schicken, damit sie unsere
Kultur angriffen. Ein feindlicher Indianerstamm sei am Stadtrand gesichtet
worden, wo er offenbar schon seit Monaten im Geheimen lagerte. In weichen
Mokassins würden die Indianer durch die Wälder schleichen und
die Tomahawks schärfen. Nachts würden sie sich mit Feuerwasser
Mut antrinken und ein Kriegsgeheul anstimmen. Sie wären darauf aus,
feindliche Zellen unter den Einheimischen zu errichten, ein trojanisches
Pferd in der Stadt aufzustellen, bevor sie losschlugen. Die Umwertung aller
Werte sei angesagt worden. Marx sei aus seinem Grab auferstanden und marschiere
über Nürnberg ganz alleine auf die Stadt zu. Sein Bart habe bereits
halb Deutschland reingefegt und er griffe skrupellos nach den Sternen,
sobald diese am Nachthimmel erschienen. Rettungsautos würde er zertrampeln,
weil ihm angeblich deren Tatütata auf die Nerven ginge und er sich
durch das Blaulicht gestört fühle. In Schweinfurt habe er den
gesamten Vorrat an Schweinslederjacken konfiszieren lassen. Mein bester
bester Freund sei auf dem Weg von Fohnsdorf nach Gumpoldskirchen gesichtet
worden, von wo er in Richtung der namenlosen Stadt weitergereist sei. Er
wolle mit seiner ständigen Melancholie das Heer der Straßenarbeiter
anstecken und sie angeblich dazu bringen, die Tanks der Bagger und Raupen
mit Almdudler zu füllen.
Der Ausnahmezustand wurde ausgerufen und
einem oberösterreichischen Reserveoffizier wurde das Oberkommando
über die Armee übertragen. Er zeigte jetzt täglich sein
häßliches Antlitz in ORF1 und man sparte sich die Familienserien.
Wir hatten Gott sei Dank nur einen Schwarzweißfernseher, sodaß
Hertha seine unverschämte Solarstudiobräune nicht sehen konnte.
Ein weiblicher Fan-Club hatte sich längst gebildet und die Ehefrauen
und Eheanwärterinnen fielen bei seinen Auftritten reihenweise in Ohnmacht.
Die Ströme von gleitfähig machenden Scheidensekreten wurden in
den See geleitet, der sich seitdem eines dreifachen Zustromes von Urlaubern
aus aller Welt erfreute.
Was hatte ich nur für eine Stadt
erschaffen.
Ich beschloß, meinem Fernweh diesmal
nachzugeben.
Ich kaufte mir ein Set neuer Unterhosen
und Socken und packte meine Sonnencreme in den Rucksack.
Der Stadt einen Namen hinterlassend, heuerte
ich auf einem Schiff an. Du sollst, schrieb ich der Stadt, Klagenfurt heißen.
Du sollst ein Haus in der Innenstadt räumen lassen, in dem ein alternatives
Frauenzentrum eingerichtet werden soll und ein Gasthaus namens Gourmet
- Zur roten Lasche. Du sollst die Gemeindearbeiter in allen Himmelsrichtungen
an den Stadtrand schicken und sie den Ortsnamen auf die noch immer weißen
Tafeln malen lassen. Du sollst das Wienerwald-Restaurant am Heuplatz zusperren
lassen und in dem inzwischen wiedergefüllten und zugestöpselten
See nach den beiden Worten Tanzcafé Lerch tauchen lassen, die vor
langer Zeit darin versenkt worden waren. Die wiedergefundenen Worte sollen
über dem geschlossenen Restaurant angebracht werden. Der See soll
ab jetzt Wörtersee heißen. Die Firma Ing. Ferd. Raspotnig soll
in ORF Landesstudio Kärnten umbenannt werden. Der Urahnin des Apothekers
Auer, die seinerzeit von den Toten auferstanden ist und dann nachts bei
ihrem Mann geläutet hat, soll ein Denkmal errichtet werden. Die Himmelsrichtungen
müssen neu definiert werden. Ich unterschrieb: Dein Erfinder. Damit
schloß ich.
Dann schenkte ich der Stadt noch einen
Mythos. Da hast du einen Mythos, schrieb ich:
Der Türmer zu Klagenfurt
Die Stadtpfarrkirche hatte früer
noch keine Uhr deshalb haben sie Zechgenossen gebraucht. Eines Tages war
einer von den Zechgenossen drann aber er wollte nich die Stunde zublassen.
Dann hat er einfach seinen Sohn gesagt das er für ihn blassen soll.
Er hat es getan für seinen Varter. Sein Varter ist in die Gaststube
gegangen seine Kollegen haben ihn Ausgelacht dein Sohn blästt ja so
grausam. Vor lauter zorn rante er hinaus und ketterte auf den Turm er blass
nach Westen Norden Osten und Süden.
Ob meine Anordnungen befolgt wurden, habe
ich nie wirklich kontrolliert. Auch nicht, ob die Stadt ihren Mythos überhaupt
verstanden hat.